Handlungs- und Kompetenzorientierung. Zwei Termini, die sich quer durch die Ausbildungswelt der Bildungseinrichtungen nicht nur in der Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen (NotSan)-Ausbildung ziehen. Als Adjektiv kombiniert mit den Begriffen Unterricht, Didaktik oder Prüfung ergeben sich schon sechs Kombinationen. Und dabei gibt es noch eine weitere Variante, die Prozessorientierung, welche den didaktischen Blickwinkel ausweitet und ergänzt, konstitutiv eine breitere Betrachtung der Performanz hinsichtlich des „Warum“ der Handlung innerhalb von Prüfungen verlangt und sich wie ein Dach darüber spannt. Didaktisch geschickt eingesetzt versprechen die Befürworter der verschiedenen Orientierungen einen Benefit für den Lehr- Lernprozess, allein es gilt vor deren Einsatz zunächst entscheiden, welches die geeignete Orientierung für die angestrebten Learning-Outcomes der Adressatengruppe ist. Als Zwischenstation dieses Lehr- Lernprozesses steht oftmals eine Form eines formativen oder summativen Leistungsnachweises. Innerhalb praktischer Themenfelder der NotSan – Ausbildung erfolgt dies meist anhand praktischer Fallbeispiele, die dann entsprechend beurteilt und bewertet werden. Doch der vorangegangene Satz wirft bereits mehr Fragen auf als bisher in den Jahren, seit es die Ausbildung gibt (01.01.2014), beantwortet werden konnten – oder – vielleicht noch gar nie gestellt wurden. Auf der Mikroebene der Lehrkräfte könnte eine Frage lauten: „Wie oder mit was oder anhand was soll ich denn die Schüler*innen beurteilen und bewerten?“. Häufig werden hierzu den Lehrenden in der NotSan-Ausbildung Checklisten durchzuführender Handlungen inklusive eines Punktesystems an die Hand gegeben, mit dem Hintergedanken des Gütekriteriums der Objektivität und Vollständigkeit der geforderten Maßnahmen. Hierdurch wird zwar erfasst, ob (und eingeschränkt auch wie gut) jemand etwas gemacht hat, jedoch werden dabei jegliche dahinterstehende Intention, Handlungskausalitäten, Bedingungen oder die (äußeren) Umstände außer Acht gelassen.
Weshalb sollte prozessorientiert beurteilt und bewertet werden?
Es stellt sich daher die Frage, welcher Weg abseits der Nutzung von „objektiven“ Checklisten oder der absoluten Subjektivität offener Mitschriften als Bewertungsgrundlage noch gegangen werden kann, um Handlungen anforderungsgemäß zu erfassen und zu dokumentieren sowie gleichzeitig deren Kausalitäten, Bedingungen und Umstände zu berücksichtigen. Einen möglichen Lösungsansatz offeriert die Prozessorientierung, welche sowohl die Handlungs- als auch die Kompetenzorientierung umfasst, die darin aufgehen. Die Idee der Prozessorientierung innerhalb der NotSan-Ausbildung ist nicht neu, bereits 2019 beschäftigten sich Studierende der Wilhelm Löhe Hochschule in Fürth unter der Leitung von Prof. Dr. Prescher mit berufsfelddidaktischen Aspekten innerhalb der NotSan-Ausbildung und dabei mit Patientenprozessorientierten Lernaufgaben (PPOLA), darunter auch der Autor dieser Arbeit. Erfolgreiche Anwendung finden diese Lernaufgaben etwa an der Franz-Anton-Mai Schule des ASB (FAMS) in Mannheim und in geringerem Ausmaß an der DRK Landesschule Baden-Württemberg in Ravensburg. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Entwicklung des didaktischen PPOLA-Konzepts wurde deutlich, dass hierin eine Lücke hinsichtlich der konkreten Leistungsbeurteilung im Rahmen einer Evaluation am Ende der Lernaufgaben steht und es hier weiterer Forschung bedarf. Diese Problematik ist allerdings kein spezielles Kind der NotSan-Ausbildung oder der PPOLA und auf diese beschränkt. Es wird innerhalb der Literatur postuliert, dass prozessorientierte Prüfungsformen zwar insgesamt hilfreich sind, und es werden auch Ideen vermittelt, wie diese konstruiert werden können (Müller & Reuter, 2011, S. 21) – doch über die konkrete Durchführung der Prüfung inklusive einer Bewertung der gezeigten Handlungen konnte durch den Autor dieser Arbeit kein Werkzeug gefunden werden.
Literaturverzeichnis
Müller, H.-J. & Reuter, C. (2011). Entwicklung prozessorientierter Prüfungsaufgaben. Bundesinstitut für Berufsbildung. https://d-nb.info/1042489246/34

Lehrkraft an einer Berufsfachschule für NotfallsanitäterInnen
M.A. Berufliche Bildung im Gesundheitswesen
B.A. Berufspädagogik im Gesundheitswesen – Fachrichtung Rettungswesen
Notfallsanitäter mit mehr als 20 jähriger Berufserfahrung in der Land- und Luftrettung, u.a. als ltd. TC-HEMS und Organisatorischer Leiter Rettungsdienst