Herausforderungen und Lösungsansätze in der Notfallsanitäter-Ausbildung

Patientenprozesse als zentrales didaktisches Moment

Hierzu werden zunächst die Grundlagen eines Prozesses dargestellt und Rückschlüsse auf die Beurteilung und Bewertung gezogen. Um sich den Inhalten und dem Ablauf einer prozessorientierten Prüfung nähern zu können, ist es erforderlich, deren einzelne Bausteine genauer zu betrachten. Allen voran gilt das Augenmerk hierbei dem Prozess selbst.

Grundlagen eines Prozesses

Die DIN EN 9000:2015-11 (2015, Kapitel 3.4.1) definiert einen Prozess als „Satz zusammenhängender oder sich gegenseitig beeinflussender Tätigkeiten, der Eingaben zum Erzielen eines vorgesehenen Ergebnisses verwendet“. Dabei wird angemerkt, dass „zwei oder mehr zusammenhängende und sich gegenseitig beeinflussende, aufeinanderfolgende Prozesse […] auch als ein Prozess bezeichnet werden [können]“.

Knuppertz (2015, S. 35) ersetzt den Begriff der Tätigkeit durch eine Aktivität und versteht unter einem Prozess eine „wiederkehrende[.] Abfolge von verbundenen Aktivitäten, die aus einem definierten Input ein definiertes Arbeitsergebnis (Output) erzeugen“. Da eine Aktivität einer Handlung gleichgesetzt werden kann (Dudenredaktion, 2023a), lässt sich hieraus und in Anlehnung an die DIN EN ISO 9001:2015-11 (2015, S. 12) folgende Prozessabbildung konstruieren, innerhalb derer auf eine Eingabe (Input) mehrere Handlungen (Anzahl n) in Folge zu einem Arbeitsergebnis führen:

Die Handlung im Prozess. Eigene Erstellung.

Der Buchstabe „n“ steht für die Anzahl aneinander gereihter Handlungen. Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an die DIN EN ISO 9001:2015-11 (2015, S. 12) und Knuppertz (2015, S. 35).

Handlungen stellen nach Hommel und Nattkemper (2011, S. 42) eine „intendierte, zielgerichtete Bewegung“ dar, ausführlicher werden sie von Hacker (2000) definiert:

„Handlung ist der wichtigste Begriff einer Psychologie der Tätigkeit. Handlung bezeichnet eine zeitlich in sich geschlossene, auf ein Ziel gerichtete sowie inhaltlich und zeitlich gegliederte Einheit der Tätigkeit, nämlich die kleinste psychologisch relevante Einheit willentlich gesteuerter Tätigkeiten von Individuen, Gruppen und Organisationen. Handlungen grenzen sich von Tätigkeiten durch das bewußte [sic!] Ziel ab, das die mit der Absicht der Realisierung (Intention) verknüpfte Vorwegnahme des Ergebnisses (Antizipation) darstellt“

Aus dieser Definition lässt sich ableiten, dass auf dem Weg zum Arbeitsergebnis verschiedene, zielgerichtete und nicht zufällige Tätigkeiten verrichtet werden. Ein Prozess muss nicht zwangsläufig ein materielles Produkt als Arbeitsergebnis haben. Eine spezielle Prozessart stellt der „Geschäftsprozess“ dar, wenn von es sich um eine vom Kunden erworbene Leistungserbringung handelt (Knuppertz, 2015, S. 35). Kunden sind im Rettungsdienst die Patient*innen oder Dritte, welche beispielsweise eine Versorgungsleistung oder Beratung erhalten. Teile des Geschäftsprozesses werden in hier als „Patientenprozesse“ bezeichnet und deren Herleitung im folgenden beschrieben.

Patientenprozessorientierung im Rettungsdienst

Müller et al. (2020, S. 3–4) bezeichnen das „Handeln im Rettungsdienst selbst als prozessorientiert“ und postulieren weiter, dass es „[…] für jeden erdenklichen Zustand [des Patienten, Anm. d. Autors] eine eigene Herangehensweise [gibt], die mehrere Handlungen miteinander vereint und dadurch entsprechende Subprozesse definiert“. Oben genannte Autoren beschäftigen sich mit der Berufsausbildung zum/zur Notfallsanitäter*in entlang von arbeitsprozessorientierten Lernaufgaben, deren Ergebnis ein Handlungsprodukt darstellt. Für den rettungsdienstlichen Bereich unterscheiden Gabriel et al. (2023) die Arbeitsprozesse in „Patientenprozesse (jegliche Arbeitsprozesse, die in direktem Zusammenhang mit dem Patienten stehen)“ und „Prozesse, die durch Patientenprozesse bedingt werden“. Ein auf die Patientenprozesse farblich abgestimmtes Modell der Prozessorientierung im Rettungsdienst nach obigen Autoren stellt sich wie folgt dar:

Modell der Prozessorientierung im Rettungsdienst. Eigene Darstellung nach Gabriel et al. (2023).

Diese und daraus ableitbare Subprozesse ergeben nach Gabriel et al. (im Druck, S. 100) die „[…] vollständige Handlung von Notfallsanitätern“.

Modell der vollständigen Handlung. Eigene Darstellung nach Riedl (2004, S. 88).

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die NotSan als Konsequenz eines Inputs (z. B. Ergebnisse aus dem Patientenprozess „Anamnese“)einen weiteren Patientenprozess oder einen Prozess, der durch diesen bedingt wurde, starten. Innerhalb dessen führen die NotSan zielgerichtete Tätigkeiten durch, um ein gewünschtes Arbeitsergebnis zu erreichen.

Literaturverzeichnis

DIN EN ISO 9000:2015-11, Qualitätsmanagementsysteme_- Grundlagen und Begriffe (ISO_9000:2015); Deutsche und Englische Fassung EN_ISO_9000:2015. (2015). Beuth. https://doi.org/10.31030/2325650

DIN EN ISO 9001:2015-11, Qualitätsmanagementsysteme_- Anforderungen (ISO_9001:2015); Deutsche und Englische Fassung EN_ISO_9001:2015. (2015). Beuth. https://doi.org/10.31030/2325651

Knuppertz, T. (2015). Prozessmanagement für Dummies (2. Aufl.). Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA.

Dudenredaktion. (2023a). Aktivität. https://www.duden.de/node/4042/revision/1431361

Gabriel, O., König, H. & Prescher, T. (2023). Planungstool zur Entwicklung patientenprozessorientierter Lernaufgaben im Rettungsdienst: Konzept und Planungsschritte. In T. Prescher, O. Gabriel & H. König (Hrsg.). Berufsfelddidaktik Rettungsdienst. Stumpf + Kossendey.

Hommel, B. & Nattkemper, D. (2011). Intention und Handlungsziel. In B. Hommel & D. Nattkemper, Handlungspsychologie. 41–65. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-12858-5_3

Hacker, W. (2000). Handlung. In Lexikon der Psychologie. Spektrum. https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/handlung/6279

Müller, H.-J., König, H. & Prescher, T. (2020). Arbeitsprozessorientierung in der Berufsausbildung von Notfallsanitäter/innen: Planungstool zur Erstellung von Lernaufgaben als Transmissionsriemen für eine kompetenzorientierte Lernprozessgestaltung. Notfall + Rettungsmedizin, 23 (1), 1–15. https://doi.org/10.1007/s10049-019-0612-2

Riedl, A. (2004). Didaktik der beruflichen Bildung. Steiner.

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